Talbot 1903 bis 1920 bzw. 1938

Die Entstehungder Marke Talbot

Im Oktober 1902 wurde eine Gesellschaft gegründet, die ursprünglich in einer Londoner Fabrik mit der Montage der französischen Automobile Clément hätte beginnen müssen.

Namensgeber war kein Geringerer als seine Exzellenz der englische Earl of Shrewsbury and Talbot, der um die Jahrhundertwende ein elisabethanisches Schlösschen in der Gegend von Staffordshire bewohnte. Hielt er sich dort auf, so verlangte es die Familientradition, dass auf dem Turm des Gebäudes eine Flagge gehisst wurde, die das Wappen derer von Shrewsbury and Talbot zierte.

Und dieses Wappen zeigte einen Hund, einen Mastiff – genannt „Talbot“ – und darüber die herzogliche Krone. Earl Shrewsbury wie sein damals siebzehnjähriger Sohn Ingestre teilten sich die Leidenschaft für schnelle Automobile, damals ein in Großbritannien noch seltenes Spielzeug für einige wenige Wohlhabende. Der Edelmann war daran interessiert, bei passender Gelegenheit

in diesen jungen Industriezweig zu investieren, und auf die Vermittlung eines Geschäftsfreundes namens D. M. Weigel kam eine Zusammenkunft mit dem französischen Automobilproduzenten Adolphe Clément zustande.

Dies war am 10. Juni des Jahres 1902.

Clément, seit ein paar Jahren erfolgreich im Automobilgeschäft, erkannte die Chance, die ihm die Partnerschaft mit einem Briten bot. Er stimmte der Gründung einer gemeinsamen Unternehmung zu. Und fast wie von selbst ergab sich die Frage: Welchen Namen sollen die Automobile der neuen Firma tragen?

Der junge Lord Ingestre, der bisher nur schweigender Zeuge der Verhandlungen gewesen war, machte einen Vorschlag: Talbot. Sofort stimmten Shrewsbury Senior, Clément und Weigel zu: Dieser Name habe nicht nur einen guten Klang, sondern sei auch leicht zu behalten. Mit einer Flasche

Veuve Gliquot wurde die Abmachung besiegelt.

Die Clément -Talbot Limited konnte ihre Geschäfte aufnehmen. Es war klar, dass der Firmensitz London sein sollte – hier, und zwar in den westlichen Vororten, war die Grundstücksbeschaffung kein Problem, außerdem gab es eine Reihe ähnlicher Industriebetriebe in der näheren und weiteren Nachbarschaft. Die Firma Clément-Talbot siedelte sich im Stadtteil Kensington an – eine feine Adresse für ein Automobilunternehmen.

In Wirklichkeit, zumindest bis November 1904, beschränkte sich diese Firma lediglich auf den Import von fertigen, in Frankreich vollständig montierten Automobilen, und verkaufte diese Modelle in Eng­land, nachdem das Original Firmenzeichen durch eines mit dem Wappen des Grafen von Shrewsbury ersetzt worden war. Erst in der Folgezeit wurde eine enorm große und gut ausgestattete Produktionsstätte (London) aufgebaut. Ursprünglich wurden hier Automobile montiert, deren technische Bauteile direkt von der Firma Clément geliefert wurden, und deren Automobile bereits damals unter dem Namen Clément-Bayard auf den Markt kamen. Da die Beziehungen zu dem französischen Hersteller immer schwächer wurden, brach Talbot schließlich alle Geschäftsbeziehungen ab und wurde eine völlig selbständige Automobilfirma.

1905 umfaßte ihr Programm vier Modelle mit 2-Zylinder-Motoren (7/8 HP, 8/9 HP, 9/11 HP und 10/20 HP)

sowie eine 4-Zylinder-Serie, die aus fünf äußerst unterschiedlichen Modellen bestand: angefangen von dem kleinen 12/14 HP bis hin zum großen 35/50 HP mit 6,3 I Hubraum.

1906 erschien der erste Talbot, der ausschließlich in England hergestellt wurde. Es handelte sich um den 20/24 HP mit 3,8-I-Motor, der von C. R. Garrard, einem Konstrukteur, der an der Seite von Adolphe Clément bis 1888 in Frankreich gearbeitet hatte, entwickelt worden war. Kurze Zeit später

kam der 12/16 HP, ein 2,7-1-Modell, hinzu. Diese beiden Talbot-Modelle nahmen mit Erfolg an zahlreichen Rennen teil und erwarben sich somit einen guten Ruf. Das dritte von Garrard entwickelte Modell kam Ende 1906 auf den Markt war mit einem 3-I-Motor mit doppeltem Zündsystem ausgestattet und erbrachte eine Leistung von 15 HP.

1908 wurde der 25 HP mit einem 4.156 ccm-Motor und einem „L“-Zylinderkopf vorgestellt.

1911 wurde George Brown als neuer Chef-konstrukteur eingestellt. Zuvor hatte Brown bei Austin gearbeitet, wo er die interessanten Pearley-Rennmodelle entwickelt hatte. Aufgrund seiner Erfahrungen gelang Brown die Optimierung der Leistungen des inzwischen veralteten E­-Motors mit stehenden Ventilen, mit dem bisher alle Talbot- Modelle ausgestattet waren. Dieser neue Motor mit 4.531 ccm und 25 HP, der eine Weiterentwicklung des alten 4.156-ccm-Motors aus dem Jahr 1908 war wurde, nachdem er entsprechend den Anweisungen Brown modifiziert worden war, 1913 in ein Rennfahrzeug eingebaut, das als erstes Auto der Welt eine Strecke von mehr als 100 Meilen in weniger als einer Stunde zurücklegen konnte.

Ab 1914 beinhaltete das Programm von Talbot auch ein 6-Zylinder-Modell. Zwei Jahre später stellte Talbot den äußerst fähigen Konstrukteur Georges Roesch aus der Schweiz ein, der bereits in Paris (bei Greqoire, Delaunay-Belleville und Renault) und in Coventry (bei Daimler) gearbeitet hatte. Er wurde mit der Projektierung eines leichten Wagens beauftragt. So entstand der A 12, ein technisch sehr ausgereiftes Modell mit 1,750 ccm das jedoch niemals über das Stadium des Prototypen hinauskam, da zu dieser Zeit Clément-Talbot-Ltd. von Darracq aufgekauft worden war und die neuen Besitzer kein Nachfolgeprojekt genehmigten. Der Hauptgrund, weshalb Clément-Talbot von Darracq übernomen worden war, beruht auf der Tatsache, daß der Graf von Shrewsbury and Talbot durch den Verlust seines einzige Sohnes, der im Krieg gefallen war, jegliches Interesse an seiner Tätigkeit verlor.

Gleich nach dem Kauf von Talbot im Jahr 1920 schloß sich Darracq mit der Firma Sunbeam aus Wolverhampton zusammen. Nachdem Roesch einen Lastkraftwagen für das englische Verteidigungsministerium konzipiert hatte, überarbeitete er den alten Talbot 8/18 HP (ein Zweisitzer mit hängenden Ventilen, der von Talbot-Darracq aus Frankreich importiert worden war), so entstand der 10/23 HP, der 1923 vorgestellt wurde. Dieses Automobil konnte bequem vier

Passagiere aufnehmen und war dennoch sehr leicht und hervorragend konzipiert. Später kam zu dem 4-Zylinder-Modell (1.074 ccm) der 12/30 HP mit 6-Zylinder-Motor hinzu, der jedoch aufgrund unzureichender Leistungen nicht sehr erfolgreich war

.

Daraufhin führte Roesch mit dem 14/45-6-Zylinder eine Ein-Modell-Politik ein (1926).

1930 wurde aus dem 14/45 ein Modell mit wiederum verbesserten Fahrleistungen entwickelt, die unter anderem einer leichteren Bauweise zu verdanken waren. Dieses Modell erhielt entsprechend der erwarteten Höchstgeschwindigkeit (Meilen/Stunde) des Prototypen die Bezeichnung ,,70″, doch wurde sie in ,,75″ umgeändert, nachdem sich herausgestellt hatte, daß die tatsächliche Höchstgeschwindigkeit weit höher lag. Die Rennsport­Version war aus dem 75er Modell entwickelt worden und erhielt die Bezeichnung ,,90″.

1931 wurde der 105er vorgestellt, der mit einem neuen 6-Zylinder-Motor mit 3 I Hubraum ausgestattet war und eine Leistung von 140 PS erbrachte; er wurde bis 1937 produziert. Dieser ebenfalls von Roesch entwickelte Motor erreichte seine höchste Entwicklungsstufe im 110er Modell des Jahres 1935: Aufgrund einer 5 mm größeren Bohrung wurde der Hubraum auf 3,5 I vergrößert.

Earl of Shrewsbury and Talbot